Über Wettbewerbsverbote bei Freiberuflern wurde seit dem Urteil des BGH (III ZR 196/02 vom 10. April 2003) viel geschrieben. Die Verunsicherung ist bei Vermittlern und Freiberuflern groß. Ich möchte in diesem Artikel zwei ganz andere Ansätze vorschlagen. Es wird sich zeigen, ob das Konzept der Vermittlungsprovision vom Markt akzeptiert wird. Für Freiberufler wichtig ist die rechtzeitige Hinterlegung einer Schutzschrift, falls sie sich entschließen, ein vereinbartes Wettbewerbsverbot nach dem BGH-Urteil nicht zu beachten.
Der BGH hat entschieden, dass die für kaufmännische Angestellte geltenden Wettbewerbsregelungen der §§ 74 ff. HGB auch auf wirtschaftlich abhängige freie Mitarbeiter anzuwenden sind, weil diese vergleichbar sozial schutzbedürftig wie Arbeitnehmer sind. Konkret bedeutet das: Wenn ein Vermittler mit dem freien Mitarbeiter nicht (zumindest) die Zahlung einer Karenzentschädigung vereinbart hat, ist das Wettbewerbsverbot unwirksam. Die Entschädigung muss dabei pro Jahr 50% der durchschnittlichen Jahresvergütung der letzten 3 Jahre betragen (§§ 74 Abs. 2, 74b Abs. 2 HGB). Wenn ihm also ein freier Mitarbeiter z. B. 50.000, 100.000 und 150.000 Euro in den letzten 3 Jahren in Rechnung gestellt hätte, so müsste ein Vermittler für das Wettbewerbsverbot im ersten Jahr nach Beendigung des Vertrages 50% von 100.000, also 50.000 Euro (!) zahlen - ohne eine weitere Leistung des freien Mitarbeiters zu erhalten, nur damit dieser nicht für den bisherigen Endkunden tätig wird.
Im Kern ist das BGH-Urteil durchaus angreifbar. Ausführlich wird das Thema in der Dissertation von Dr. Meinhard Erben diskutiert (http://www.kanzlei-dr-erben.de/publications_d.html). Da das höchstrichterliche Urteil nun erst einmal in der Welt ist, riskiert ein Vermittler einen sehr unsicheren und teuren Rechtsstreit über mehrere Instanzen, wenn er sich mit der derzeit geltenden Rechtslage nicht abfinden mag.
Ein Freiberufler muss sich überlegen, ob er eher chancen- oder sicherheitsorientiert ist. Ein chancenorientierter Freiberufler wird eine juristische Auseinandersetzung nicht scheuen, weil er möglicherweise viel Geld gewinnen kann, wenn er einen Anschlussauftrag beim Kunden direkt wahrnimmt. Andererseits riskiert er eine lange juristische Auseinandersetzung, an deren Ende er möglicher Weise doch auf einem Haufen Prozesskosten plus Vertragsstrafe sitzen bleiben kann - schließlich gleicht kein Fall einem anderen - sodass man nicht mit 100%iger Sicherheit sagen kann, dass die Gerichte das Wettbewerbsverbot im konkreten Fall wirklich als unwirksam einstufen.
Ein sicherheitsorientierter Freiberufler wird das Wettbewerbsverbot einfach für sich akzeptieren, um Ärger zu vermeiden und seine Zeit sinnvoller zu nutzen. Man wird übrigens auch berücksichtigen müssen, dass man sich in dieser überschaubaren Branche kennt - und "schwarze Listen" von Freiberuflern, mit denen Vermittler schlechte Erfahrungen gemacht haben, sind sicher nichts Neues.
Wenn ein Freiberufler sich nun aber angesichts der relativ klaren BGH-Entscheidung dazu entschließt, das Wettbewerbsverbot zu ignorieren, könnte der Vermittler eine einstweilige Verfügung gegen ihn beantragen. Der Vermittler will natürlich, dass der Freiberufler umgehend die Tätigkeit bei seinem Kunden einstellt, allein schon weil ohne dieses Exempel andere Freiberufler ermutigt würden, das Wettbewerbsverbot ebenfalls zu ignorieren. Der Freiberufler hat aber praktisch so gut wie keine Chance gegen die einstweilige Verfügung, wenn er nicht vorher eine Schutzschrift gegen sie beim Gericht hinterlegt. Denn das Gericht kann - Dringlichkeit unterstellt - auch ohne mündliche Verhandlung entscheiden und man kann den Sachverhalt sicher so darstellen, dass das Gericht die Verfügung auch erlässt. Das Problem besteht nun darin, dass die einstweilige Verfügung, wenn sie erst einmal da ist, beachtet werden muss, sonst drohen Bußgelder. Damit wäre ein Freiberufler den Auftrag beim Kunden praktisch los.
In der Schutzschrift beantragt der Freiberufler, den befürchteten Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung abzuweisen, dass das Gericht jedenfalls nicht ohne mündliche Verhandlung darüber entscheiden soll und möglichst auch noch eine Sicherheitsleistung des Vermittlers. Denn der Vermittler kann sich durch die einstweilige Verfügung schadenersatzpflichtig machen, wenn sich nachher, also im Hauptsacheverfahren, herausstellt, dass die Verfügung nicht berechtigt gewesen ist. Da es zurzeit vielen Vermittlern nicht sonderlich gut geht, hilft ein nicht vollstreckbarer Schadenersatzanspruch dem Freiberufler wenig (Insolvenzrisiko). Der hat vermutlich gerade seinen Kunden verloren, weil er Wochen und Monate (bis zum Prozessbeginn) nicht im Projekt erscheinen durfte. Die Hinterlegung einer sorgfältig ausgearbeiteten Schutzschrift bei den in Betracht kommenden Gerichten ist also wichtig. Mit etwas Glück für den Freiberufler schafft es der Vermittler dann schon nicht, die Sicherheitsleistung zu erbringen.
Für die Zukunft, also beim Abschluss neuer Geschäfte, kann eine wesentlich einfachere Lösung ebenso zum Ziel führen, und zwar ohne (potenzielle) rechtliche Auseinandersetzungen: Der Vermittler kann mit dem Freiberufler eine Vermittlungsprovision vereinbaren, die umsatzabhängig sein kann und ggf. in Raten zahlbar ist. Auf diese Weise erhält der Vermittler ganz transparent seine Refinanzierung, der freie Mitarbeiter ist aber keineswegs gehindert, für den Endkunden direkt tätig zu werden. Ein Wettbewerbsverbot ist wirtschaftlich nicht mehr notwendig. Dieser Ansatz hat sich in einer anderen Branche bereits bewährt: Immobilienmakler stellen die Zusammenführung von Mieter und Vermieter bzw. Käufer und Verkäufer in Rechnung. Letztlich ist die Vermittlung von Projekten an Freiberufler nichts anderes. Es würde hingegen seltsam anmuten, wenn ein Immobilienmakler (oder gar eine ganze Kette von Maklern) sich über einen Aufschlag auf die monatliche Miete refinanzieren wollte und zur Absicherung dieser Einnahmen dem Mieter verbieten würde, direkt mit dem Vermieter zu kontrahieren.
Gegen diesen Ansatz mag man einwenden, dass in der Praxis der Kunde den Vermittler bezahlt, und zwar in der Regel nicht nur für reine Vermittlung, sondern für ein umfassendes Dienstleistungsangebot (Vertragsübernahme, Haftung, Rechnungstellung etc.). Den Kern dieses Paketes stellt aber die Leistung des bzw. der Freiberufler dar. Ob der Kunde einen Aufschlag für diese Leistung zahlt oder der Freiberufler dadurch einen Abschlag von seinem Stundensatz hinnehmen muss, oder die Übernahme des Insolvenzrisikos des Endkunden durch den Vermittler für den Freiberufler bei großen Endkunden eher nachteilig ist - all das kann rechtlich offen bleiben, da sich die Beteiligten jeweils geeinigt haben. Wirtschaftlich müssen sie nach dem Urteil jedoch eine Form finden, mit der die juristischen Risiken minimiert werden. Die BGH-Entscheidung spricht eine klare Sprache: Wenn der Vermittler nicht von den bisher üblichen Verträgen ablässt und den Endkunden auch nach Vertragsbeendigung weiterhin als sein "Eigentum" betrachtet (daher ja das Wettbewerbsverbot), geht er ein hohes juristisches Risiko ein. Er verlässt sich bei seiner Refinanzierung auf Verträge, die sich leicht als unwirksam herausstellen können. Rechtsökonomisch betrachtet würde der Vermittler durch pauschale Vereinbarung eines Wettbewerbsverbots den freien Wettbewerb behindern, ohne dafür eine angemessene Entschädigung zu zahlen. Dem steht gegenüber, dass sich Endkunden als Nachfrager und Freiberufler als Anbieter letztlich bezüglich der Kernpunkte des Vertrages (Arbeit gegen Geld) auch ganz ohne Vermittler finden könnten. Die Vereinbarung von Provisionen behindert den Wettbewerb hingegen gerade nicht. Wenn der Vermittler einen fairen Provisionssatz für seine Dienstleistung nimmt, ist ihm die transparente Refinanzierung auch ohne Wettbewerbsverbot sicher.
Zurzeit kann eher in Frage gestellt werden, dass den Freiberuflern die Leistungen der Vermittler klar sind. Ein Grund dafür dürfte die mangelnde Transparenz sein, da unklar bleibt, woraus die Leistungen des Vermittlers eigentlich bestehen und wie viel sie jeweils kosten. Zudem können Endkunde und Freiberufler als Kunden des Vermittlers im bisherigen Modell nicht entscheiden, welche Dienstleistungen sie in Anspruch nehmen möchten (Vermittlung) und welche eher nicht (Übernahme des Insolvenzrisikos). Bei der Provisions-Lösung kann dies genau beziffert werden. Das würde auch die Akzeptanz der Vermittler erhöhen. Endgültig ausgedient haben dürfte hingegen das Geschäftsmodell, bei dem für die einmalige Vermittlung plus Rechnungsabwicklung gegenüber Endkunde und Freiberufler z.T. über Jahre hinweg intransparent hohe Summen einbehalten werden, die in keinem angemessenem Verhältnis zur Gegenleistung stehen. Es basiert auf der Geheimhaltung der Verträge zwischen Endkunde und Vermittler sowie Vermittler und Freiberufler. Das Geschäftsmodell "Geheimhaltung der Marge" schädigt dauerhaft das Ansehen der Vermittler und ist alles andere als seriös und innovativ.
Die Provision kann in verschiedenen Formen vereinbart werden. Sie kann vom Freiberufler oder dem Endkunden übernommen werden. Für die Vermittlung kann sie aus einem festen Betrag bestehen (z.B. 1000 Euro) und/oder an die monatlichen Umsätze zwischen Endkunde und Freiberufler gekoppelt sein (z.B. 5 % bei 1000 Euro Festbetrag oder 10 % ohne Festbetrag). Die Provision kann auch für den Fall vereinbart werden, dass der Freiberufler zu einem späteren Zeitpunkt (z.B. innerhalb von 2 Jahren) wieder für den Endkunden tätig wird. Dahinter steht die Überlegung, dass sich das Wissen des Vermittlers um die Kunden sonst sehr schnell verbraucht. Der Zeitraum sollte dabei begrenzt und angemessen sein, jedenfalls nicht länger als 2 Jahre, weil sonst wiederum rechtliche Bedenken in Bezug auf die Wirksamkeit der Vereinbarung bestehen. Zudem kann der Vermittler dem Freiberufler natürlich seine weiteren Dienstleistungen, z.B. Rechnungstellung/Forderungseinzug für den Freiberufler sowie Übernahme des Insolvenzrisikos des Endkunden monatlich in Rechnung stellen.
Scheitern kann die Provisions-Lösung am Endkunden, da dieser oft gar keinen direkten Vertrag mit dem freien Mitarbeiter schließen möchte. Er fürchtet beispielsweise die Scheinselbstständigkeit des freien Mitarbeiters und die damit zusammenhängende Verpflichtung zur Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen. Der sozialversicherungsrechtliche Status kann in Zweifelsfällen aber verbindlich über eine Anfrage an die BfA nach § 7a SGB IV geklärt werden (http://www.bfa.de/ger/ger_versicherung.2/ger_clearingstelle.25/ger_25_status.html). Im Übrigen kann der Endkunde selbst viel dazu beitragen, dass erst gar keine Zweifel aufkommen: Er sollte den freien Mitarbeiter im Vergleich zu eigenen Arbeitnehmern - nicht nur vertraglich, sondern auch tatsächlich - anders behandeln und darauf achten, dass er nicht auf Dauer nur für ihn tätig ist und somit wirtschaftlich abhängig wird. Der Endkunde kann sich dabei regelmäßig auditieren lassen - vom Vermittler oder einem neutralen Dritten, z. B. einem Rechtsanwalt, um Sicherheit zu bekommen, dass die Mitarbeiter nicht durch die Art und Weise der Durchführung der Tätigkeit scheinselbstständig beschäftigt werden.
Michael Kubert
Stand: 29.02.2004
© 2004 Michael Kubert, alle Rechte vorbehalten.